Europäischer Außenhandel in Zeiten der Krise – Obst, Gemüse und Kartoffeln

17.12.2020 Verbraucherpreise für Obst und Gemüse auf Normalniveau - Kartoffeln unterbewertet, gestiegene Nachfrage nach Exoten und Zitrusfrüchten - Gemüseimporte rückläufig, Obst zieht - Gemüse schiebt, überschaubare Ausfuhren am innereuropäischen Markt

Verbraucherpreise für Obst und Gemüse nach Frühjahrsspitzen auf Normalniveau, Kartoffeln nach wie vor unterbewertet

Der europäische Obst- und Gemüsesektor kam besser durch die erste Welle als andere Agrarmärkte. Durch den gestiegenen Haushaltskonsum im ersten Halbjahr 2020 entwickelte sich insbesondere der Verkauf im Einzelhandel außerordentlich gut. In Österreich zogen die Verkäufe um 17 % an Wert gegenüber dem Vorjahr und 25 % gegenüber dem 5 jähr. Durchschnitt an. Während die Nachfrage nach lagerfähigen Obst- und Gemüsen signifikant anstieg, reduzierte sich jener nach rasch verderblichen Erzeugnissen wie Beeren und Salaten. Das Geschäft mit Produkten, welche typischerweise vom Horeca-Segment nachgefragt werden, liegt mehr oder weniger seit Ausbrechen der Pandemie danieder.

Die von der europäischen Kommission im April bekannt gegebenen Maßnahmen zur Sicherung der Nahrungsmittelversorgungskette und des freien Warenverkehrs im Binnenmarkt (Green Lanes, Personenfreizügigkeit für Saisonarbeiter, etc) werden derzeit nicht in Frage gestellt und sollten auch in der zweiten Welle der Pandemie unterstützend wirken.

Der Anstieg der internationalen Marktpreise von Obst und Gemüse (durchschnittlich 10% -15%) in der ersten Welle, konnte bis an das Ende der Wertschöpfungskette durchgereicht werden und half den Betrieben die Corona- bedingt höheren Aufwände (Personalkosten, Logistik, usw.) weitgehend abzufedern. Jedoch werden mit Fortschreiten der Pandemie die Obst- und Gemüsepreise voraussichtlich immer stärker unter Druck geraten. Die Kaufkraft vieler europäischer Haushalte leidet bereits unter der aktuellen Wirtschaftskrise und entsprechend selektiver wird konsumiert. Die spezifischen Mehrkosten der Landwirte bleiben.

Wertanpassung der Erzeugerpreise, Monat zu Monat in %
EU-27 03/20 04/20 05/20 06/20 07/20 08/20 09/20 10/20
Inflation 1,1 0,6 0,5 0,7 0,8 0,4 0,2 0,2
Lebensmittel 3,3 4,5 4,1 3,7 2,3 1,9 1,9 2,1
Obst 7,8 11,8 14,1 13,8 10,8 9,9 9,3 7,7
Gemüse 1,1 5,9 3,2 1,9 -2,4 -3,5 -1,8 1,8
Kartoffeln 1,1 1,0 -3,9 -6,6 -10,0 -11,9 -12,7 -11,9
Quelle: EUROSTAT, europäische Kommission

Die Inflation der Lebensmittelpreise für Verbraucher ist nach Corona-bedingten Spitzen im April und Mai schlussendlich wieder auf Normalniveau zurückgekehrt. Nachfragefaktoren (Panikkäufe) und Angebotsfaktoren (logistische Probleme in Lieferketten und Läden) zeichneten für die Preisentwicklung im Frühjahr verantwortlich. Vor allem die massiven Verwerfungen auf den Absatzmärkten für Kartoffeln ziehen eine nachhaltige Entwertung nach sich.

Gestiegene Nachfrage nach Exoten und Zitrusfrüchten, Gemüseimporte rückläufig, starke Binnennachfrage hemmt EU Ausfuhren von Obst

Trotz der durch die COVID-19 ausgelöste Wirtschaftskrise und der mit dem Brexit verbundenen Unsicherheiten, wuchs der Handel mit Nahrungsmitteln in der EU27 in den ersten sieben Monaten 2020 nach offiziellen COMEXT- Daten weiter.

Zwischen Januar und Juli belief sich der Wert der EU27-Agrar- und Lebensmittelexporte auf 105,5 Mrd. EUR (+ 2% zum Vorjahr). Der Wert der Importe, mit abermals + 2% im Jahresvergleich, auf 72,6 Mrd. EUR. Die EU erwirtschaftete in diesem Zeitraum demnach einen Überschuss im Agrar- und Lebensmittelhandel von 32,9 Mrd. EUR.

Insbesondere der Außenhandel mit Obst und Gemüse kam im ersten Halbjahr 2020 in Bewegung.

Importe der EU27 von Obst und Gemüse aus Drittstaaten (01- 08.2020)
in Mrd. EUR Gesamt Obst Gemüse verarbeitetes
Obst und Gemüse
Kartoffeln
01-08 2019 17,01 11,87 2,02 2,87 0,24
01-08 2020 18,34 13,21 1,95 3,01 0,17
+/- ggü.VJ in % 8 11 -4 5 -30
Top Einführer NL (+7 %) NL (+13 %) FR (-2 %) NL ( -5 %) GR (-42 %)
Quelle: EUROSTAT, europäische Kommission

Befeuert durch hohe Einfuhren von Exoten und Zitrusfrüchten der Niederlande, wurde der Wert der Gesamtimporte gegenüber dem Vorjahr um 8 % angehoben. Trotz zunehmender Einfuhren von Tomaten (+ 13 %) wurde, aufgrund rückläufiger Importe von Zwiebeln und Schalotten (-50 %), alles in allem weniger Gemüse importiert. Auch eine Auswirkung der europaweiten Sperren von Hotellerie, Gastronomie und Großveranstaltungen. Die europäischen Importe von verarbeiteten Obst und Gemüse reduzierten sich im Vergleichszeitraum um 5 %. Während zubereitete Nüsse um + 23 % an Wert zulegten, reduzierten sich aufgrund der starken Nachfrage nach frischen Orangen unterdessen die Importe von Orangensaft (-18 %).

Exporte der EU27 von Obst und Gemüse in Drittstaaten (01- 08.2020)
in Mrd. EUR Gesamt Obst Gemüse verarbeitetes
Obst und Gemüse
Kartoffeln
01-08 2019 7,90 2,32 1,56 2,78 1,24
01-08 2020 7,89 2,26 1,63 2,82 1,17
+/- ggü.VJ in % 0 -3 4 2 -6
Top Ausführer SP (-1 %) SP (-12 %) NL (0 % ) IT (+11 %) NL (-7 %)
Quelle: EUROSTAT, europäische Kommission

Die Gesamtexporte der EU27 in Drittstaaten stagnierten mehr oder weniger auf korrespondierenden Vorjahresniveau, Exporte von Früchten sanken um 3 %, vorwiegend hervorgerufen durch geringere Ausfuhren von Äpfeln und Orangen (starke Binnennachfrage). Verarbeitetes Obst und Gemüse wuchs im Verhältnis um 2 %. Insbesondere die gute Performance von verarbeiteten Tomaten stütze das Wachstum. Dies erklärt auch die starke Exportleistung von Italien mit +11 % zum Vorjahr.

Obst zieht - Gemüse schiebt, überschaubare Ausfuhren am innereuropäischen Markt

Innereuropäische Ausfuhren von Obst und Gemüse (01- 08.2020)
in Mrd. EUR Gesamt Obst Gemüse verarbeitetes
Obst und Gemüse
Kartoffeln
01-08 2019 45,13 17,07 12,75 10,61 4,71
01-08 2020 45,83 18,56 12,62 10,70 3,95
+/- ggü.VJ in % 2 9 -1 1 -16
Top Ausführer NL (+1 %) SP (+ 9%) SP (+2 %) NL (-1 %) NL (-21 %)
Quelle: EUROSTAT, europäische Kommission

Die Hauptlieferanten von europäischem Obst und Gemüse sind Niederlande und Spanien. In Österreich spielt naturgemäß auch Italien als Versorger von Frischeprodukten, insbesondere in der vor- und nachgelagerten Saison, eine überaus wichtige Rolle. Der Obsthandel zeigte im Beobachtungszeitraum ein dynamisches Wachstum von + 9 % in den ersten 8 Monaten. Angetrieben durch einen 20 - 30 %igen Anstieg des Bedarfs der Leitprodukte wie Orangen, Äpfel, Zitronen und Birnen. Im Gegensatz dazu rangiert Gemüse knapp auf Vorjahresniveau. Die Ausfuhren von verarbeiteten Produkt konnten, gegenüber dem Vorjahr, innerhalb der europäischen Union um 1 % gesteigert werden.

Renhardt BSc, 17.12.2020