Marktübersicht international – Erdäpfel

28.05.2020 Starke Produktionsleistung im Westen - Osteuropa verliert an Boden, Kartoffelprodukte auf dem Vormarsch - globaler Bedarf an Fritten steigt; Corona bremst Wachstum aus - Übermengen belasten Märkte

Die Pandemie hat sowohl national- als auch europaweit enorme Auswirkungen auf den Kartoffelkonsum. Während der Absatz von Speisekartoffeln ungeahnte Höhenflüge erreichte, brach das Geschäft mit Pommes Frites und Co. durch den Wegfall des Außer-Haus-Konsums komplett weg. Kaum ein landwirtschaftlicher Sektor war derart einschneidenden Verwerfungen und Umwälzungen ausgesetzt. Grund genug, den Kartoffelmarkt im Allgemeinen und den der TK- Kartoffelprodukte im Besonderen genauer zu beleuchten.

Starke Produktionsleistung im Westen, Osteuropa verliert an Boden

Europa steht mit einer Versorgung von rund 165 kg pro Einwohner unangefochten an der Weltspitze des Kartoffelanbaus. Weit abgeschlagen folgt Asien mit 43 kg pro Einwohner. 80 % der weltweiten Kartoffelproduktion geht auf das Konto dieser Kontinente. Was die Produktionsflächen für Kartoffel inkl. Saat, Verarbeitung und Industrie betrifft, steht Polen europaweit mit 310.000 ha an erster Stelle, danach kommen Deutschland und Frankreich. Länder in Ost- bzw. Südeuropa geben allerdings Jahr für Jahr Produktionsflächen ab, während diese in Nord- und Westeuropa sukzessive ausgeweitet wurden. Insbesondere Dänemark, Frankreich und Belgien setzen mit einem Wachstum von + 20 % auf die vielseitige Knolle. Österreich rangiert zum langjährigen Durchschnitt mit + 9 % im Mittelfeld. Vornehmlich handelt es sich um innereuropäische Flächenverschiebungen. 
Mit 1,6 Mio. ha und einem Wachstum von 2 % blieb die Gesamtfläche der EU 27 gegenüber dem 8-jährigen Durchschnitt soweit konstant. 
Die Erntemengen zeigen sich europaweit durchaus divergent. Auf den Hektarertrag heruntergebrochen herrscht ein starkes West- Ostgefälle. Während 2019 Deutschland und die Niederlande durchschnittlich 35 t/ha anschreiben konnten, rodete Rumänien im Schnitt karge 18 t/ha. 
Betriebsstruktur, Technisierungsgrad und Sortenwahl spielen neben den topografischen Gegebenheiten hierbei eine entscheidende Rolle. Heimische Produzenten konnten unterdessen im letzten Jahr mit durchschnittlich 31 t/ha eine ansprechende Ertragsleistung erzielen. 
Mit 10,6 Mio. t Erntevolumen war Deutschland im Vorjahr europäischer Spitzenreiter, gefolgt von Frankreich, welches insbesondere im Speisesegment seine Flächen massiv ausweitete. Exportmeister Niederlande rangierte an dritter Position mit 8,5 Mio. t. Erst an vierter Stelle kommt das flächenmäßig stärkste Polen. Österreich lag 2019 europaweit am 12ten Platz und konnte seine Produktivität mit 751.000 t zum langjährigen Durchschnitt um rund 9 % steigern. 10-15 % des jährlichen Inlandverbrauchs beansprucht dabei die Speise-und Verarbeitungsindustrie.  

Kartoffelprodukte auf dem Vormarsch, globaler Bedarf an Fritten steigt

Während der Verbrauch von Frischkartoffel mit wachsendem Wohlstand kontinuierlich abnimmt, steigt der weltweite Bedarf an Kartoffelprodukten und Verarbeitungsware. Mit einem jährlichen Absatzplus von 4-5 % stellt diese Sparte neben der Stärkeindustrie den Wachstumstreiber der Branche dar. Food-Trends wie Systemgastronomie, home delivery als auch der anhaltende Boom von Convenience und Außer-Haus-Konsum sind die treibende Kraft dahinter und in den nächsten 2-3 Jahren sollen weitere 1 Mio. t an Kapazitäten hinzukommen. 
Das Epizentrum der weltweiten Kartoffelverarbeitung sind die großen Fritten- Produktionsstätten der Benelux-Länder, Frankreich und Deutschland. Die Häfen in Rotterdam, Antwerpen, Dünkirchen, Hamburg und Bremen stellen wichtige Drehkreuze dar um den wachsenden globalen Bedarf zu befriedigen. 
Mit einem Exportvolumen von rund 2,5 Mio.t ist Belgien unangefochtener Exportweltmeister von Pommes Frites, dicht gefolgt von Niederlanden. Mehr als die Hälfte der in Europa produzierten Kartoffelsticks gingen 2018 in gefrorenen Zustand in Drittstaaten. 
Der Transport von Verarbeitungsrohstoff österreichischen Ursprungs nach Belgien, Holland oder Deutschland ist allerdings in Normaljahren nicht rentabel.
Intra-EU spielen jedoch Fritten „ Made in Austria“ eine wichtige Rolle. Am Binnenmarkt hat sich der Handel mit gefrorenen Kartoffelprodukten seit 2011 beinahe verdoppelt. 

Abgesehen von national produzierten Kartoffelprodukten bezieht Österreich zu über 90 % seiner Pommes Frites, Rösti und Kroketten aus den Niederlanden und Deutschland. Seit 2016 ist hier ein durchaus bemerkenswerter Anstieg von 75 % festzustellen.  

Corona bremst Wachstum aus, Übermengen belasten Märkte

Die durchwegs positive Entwicklung dieses Marktsegments fand März 2020 mit dem Einschlag der Pandemie auf europäischen Festland sein jähes Ende. Schon vor März wurden Flächen für die kommende Ernte von Spezialsorten wie „Fontane“, „Challanger“ und „Innovator“ kontrahiert. Krisenbedingte „Lock- downs“ und damit einhergehende Blockaden der Absatzmärkte brachten die Vermarkter und Produzenten in schwerste Turbulenzen. 70 % der Pommes Frites werden Außer-Haus konsumiert. 
An landwirtschaftlichen Produktenbörsen wurde der Handel von Speiseindustrie- und Verarbeitungsware aus Mangel an Transaktionen wochenlang ausgesetzt. Was tun mit nicht verarbeiteten Knollen und nicht konsumierten Fritten? 
Die massiven Bestände an Rohstoff fließen, wo möglich, in den zuletzt sehr aufnahmefähigen Frischmarkt. Für den Haushalt ungeeignete Partien werden zu Stärke, Viehfutter oder Biogas verwertet. Europas Tiefkühlläger sind voll. Derzeit spricht man von 2,7 Mio. Tonnen überschüssiger Verarbeitungsware. Alleine in Belgien warteten Mitte Mai 750.000 t auf Abnehmer. Das sind in etwa 30.000 LKW-Ladungen. Bereits kommenden Juni/Juli kommt Nachschub frisch vom Acker. 
Das langsame Hochfahren der Gastronomie und die Lockerungen bei Großveranstaltungen, als auch Events bringen mittelfristig kaum Entlastung. Der Schaden ist bereits angerichtet. 
Das Überangebot und der Rückstau an Verarbeitungsware strahlt in alle Marktsegmente aus und wird entsprechende Auswirkungen haben. Die Produktionsflächen werden 2020 nicht signifikant zurückgehen, eher im Gegenteil. Europaweit ist eine weitere Ausdehnung der Kartoffelanbaufläche durchaus wahrscheinlich. Hierzulande wird die Auswertung des Agrarmarkt Austria Mehrfachantrags Mitte Juni mehr Klarheit bringen.

28.05.2020, BSc Arthur Renhardt